Projektstart, Ziele und Fortsetzung
„Musikmachen ist die friedlichste Tätigkeit.“
Clueso, Musiker
in.media.vitae foundation in Kooperation mit Lehrstuhl Musikpädagogik im Department für Fachdidaktik an der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Integration als Hauptaufgabe
Die Stiftung in.media.vitae foundation engagiert sich mit ihren Projektinitiativen schwerpunktmäßig im gesellschaftlichen Themenbereich der Integration von Flüchtlingen und Migranten durch bürgerschaftliches Engagement.
Dieser Schwerpunkt entspricht ebenso den gesellschaftlichen Notwendigkeiten, den Absprachen mit unseren Kooperationspartnern wie auch den Intentionen und Überzeugungen der beiden Stifter.
Stifter Alexander Hofmann ist geprägt von den persönlichen Erfahrungen bei langjährigen Aufenthalten in Frankreich und in der Türkei. „In den Brennpunkten wie den ‚banlieues‘ im Norden von Marseille oder Paris, die es mittlerweile in fast allen großen französischen Städten gibt, wird durch die fehlende oder zu geringe Integration und deren Folgen auch Gewaltbereitschaft und Kriminalität begünstigt, welche die Spirale aus Isolation und Konfrontation mit den tradierten Bevölkerungsschichten weiter antreibt.“
„Wir sind in unserem Deutschland – wie fast alle westlichen Industrienationen – ein Zuwanderungsland und benötigen diese auch immer mehr für die Funktion und den Erhalt vieler unserer Sozial- und Sicherungssysteme. Migration ist ein nachhaltiger, wesentlicher Bestandteil unserer Epoche. Sie ist auch eine Chance zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und sollte aktiv gestaltet werden. Diese Situation trifft auf ausgesprochen viele hochentwickelte und heute leistungsfähige Länder zu. Viele dieser Länder haben eine langfristig ausgerichtete und erfolgreiche Einwanderungs- und Integrationspolitik entwickelt, die stark zum Wachstum und Erfolg dieser Gesellschaften beitragen.
Zur Vermeidung von kritischen Entwicklungen für die Gesellschaften aufgrund nicht bewältigter Migration und Integration, wie sie leider auch in vielen Gesellschaften zu verzeichnen sind, möchte die in.media.vitae foundation ihren kleinen Teil in ihrem Wirkungskreis zu dieser unseres Erachtens wichtigsten gemeinsamen Aufgabe unserer Gesellschaft beitragen.“
Musik und Integration
Sprache, ein Mindestmaß an Kommunikation und Verstehen, ist die Voraussetzung für jede Integration.
Wenn die sprachlichen Fähigkeiten noch nicht vorhanden sind, so bieten gemeinsame Aktivitäten im Bereich Musik, Singen, Sport, Tanz und Bewegung gute Ansatzpunkte, um aufeinander zuzugehen und die Schwelle von Unbekannten und zum Teil Angst zwischen Fremden zu überbrücken. Musik eignet sich in besonders gutem Maße dazu, wie wir aus vielen Gesellschaften seit Jahrhunderten wissen.
So ist für uns Musik eindeutig eines der besten Hilfsmittel, um vom Erstkontakt über die verschiedenen Stufen des Spracherwerbes bis zu reifer Kommunikation, Information und Erfahrung hin zu Gemeinsamkeiten und zur Integration zu gelangen.
Projekt-Vorbereitung
In 2015 wurde in mehreren Gesprächen zwischen den Herren Alexander Hofmann und Professor Wolfgang Pfeiffer, den Inhaber des Lehrstuhls Musikpädagogik im Department für Fachdidaktik an der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (nachstehend mit Prof. Pfeiffer oder Lehrstuhl Musikpädagogik bezeichnet) dessen Idee zu „Musik integriert“ aufgegriffen und Ansatzpunkte zur gemeinsamen Projektentwicklung diskutiert.
Anfang 2016 wurden diese in mehreren Gesprächen zwischen dem Lehrstuhl Musikpädagogik und der in.media.vitae foundation weiterentwickelt. Es wurde beschlossen, das Projekt in kleinerem Umfang schnell zu starten, um es auf der Basis der ersten gewonnenen Erfahrungen weiter entwickeln zu können. Aufgrund bestehender Kontakte wurde im Februar und März 2016 mit der Leitung sowie den beteiligten Lehrern und Elternbeirat an der Konrad-Groß-Schule in Nürnberg ein Start des Projektes für das laufende Schuljahr 2015/2016 vereinbart.
Projekt-Ziel
Musik integriert hat zum Ziel, die Prozesse des Spracherwerbs und der Integration mit Musik durch Verknüpfung von theoretischer Konzeption und praktischem Einsatz systematisch zu entwerfen, zu konzipieren, durchzuführen und ihre Wirksamkeit zu erforschen. Die konzeptionellen Entwicklungen sollen regelmäßig auf den gewonnen Erfahrungen aufbauen.
Dabei sollen Strukturen erarbeitet werden, mit denen an Schulen systematische Integrationsbeiträge durch Musik und Differenzierungsangebote zur Sprachförderung und hierauf aufbauender systematischer Elternarbeit entwickelt werden können. Insbesondere ist dabei an Schulen und Klassen mit hohem Migrationsanteil und an Übergangsklassen, die ausschließlich mit Migranten besetzt sind, gedacht. Die dabei entwickelten Methoden bzw. das entwickelte Modell soll gut auf weitere Schulen übertragbar sein.
Das Projekt wird gemeinsam und partnerschaftlich vom oben genannten Lehrstuhl der Musikpädagogik und der in.media.vitae foundation durchgeführt, wobei beide Partner in der Projektrealisierung schwerpunktmäßig unterschiedliche Verantwortungen übernehmen, der Lehrstuhl Musikpädagogik die Arbeit mit den Schülern in den Klassenzimmern und die in.media.vitae foundation die Elternarbeit.
Die Ziele und Werte des Projektes im Detail:
Es wird angestrebt, Begegnungen auf Augenhöhe zwischen jungen Menschen, egal welcher Herkunft, zu ermöglichen. Ziel ist es, offen auf junge Migranten zuzugehen, sich für sie und ihre Lebensgeschichte und Kultur zu interessieren und ihnen gleichzeitig möglichst vielfältige Zugangsmöglichkeiten zur hiesigen Gesellschaft zu eröffnen. In einem Dialogprozess soll zunächst gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen gefördert werden. Potentielle Vorurteile werden in einem von Respekt und Vertrauen geprägten Klima abgebaut, Toleranz wird gefördert. Unterschiedliche Weltanschauungen, Wertvorstellungen oder Gepflogenheiten werden thematisiert und in ihren Potentialen wahrgenommen. Die jungen Menschen erkennen, dass unterschiedliche kulturelle Prägungen im Alltag auch zu Konflikten führen können und erarbeiten friedliche, von Respekt geprägte, demokratische Konfliktlösungsstrategien.
Gemeinsames Erleben und Gestalten von Musik, Sport, Kunst und Kultur funktioniert zunächst auch ohne bzw. mit geringen Sprachkenntnissen. Damit das Integrationsziel erreicht wird, richtet sich das Projekt an zugewanderte und einheimische Kinder und Jugendliche gleichermaßen. Integrationswille einerseits und Offenheit und Toleranz andererseits gehen Hand in Hand. Wer gemeinsam musiziert, entwickelt schnell eine Basis für Verständigung. Sprachliche Kommunikation und Wertebildung bauen auf dieser ersten Verständigungsebene auf und schließen sich an.
Im Projekt „Musik integriert“ sollen ausgehend von einer systematischen Wirkungsanalyse der Prozesse „Spracherwerb“ und „aktives Musikzieren“ durch Synthese gezielter und systematisch geplanter Methoden aus diesen beiden Bereichen die sich gegenseitig unterstützenden Effekte untersucht werden. Dabei werden Unterrichtskonzepte erstellt und in verschiedenen Klassen erprobt, die durch Einsatz von Sprachlernverfahren in Kombination mit Musik den Spracherwerb unterstützen und die Integration der Kinder in die Gesellschaft fördern.
Ein besonderer Schwerpunkt und eine besondere Zielsetzung des Projektes ist, über eine systematische, mit den Schulen und Lehrern gemeinsam entwickelten Elternarbeit doppelt integrativ tätig zu werden: Einerseits soll – was keine Selbstverständlichkeit ist – das Interesse der Eltern am schulischen Weg, den Leistungen und dem Erfolg ihrer Kinder durch entsprechende Ansprache und Information intensiviert werden und andererseits sollen die Integrationsbemühungen über die Kinder und die Strukturen der Schulen bis in die Elternschaft hinein entwickelt – und so wesentlich verbreitert – werden. Dadurch kann die Reichweite der Integrationsbemühungen deutlich erhöht werden und synergetische Wirkungen erzielt werden. Dieser übergreifende Ansatz auf Schüler und Eltern ist – nach unserer Kenntnis – derzeit neu.
Musik.Integriert! mit Schülern und Eltern, zwei Teilprojekte
Der Teil von Musik.Integriert! „in den Klassenzimmern“ mit den Schülern wird dabei vom Lehrstuhl Musikpädagogik unter Herrn Prof. Wolfgang Pfeiffer ausgeführt. Der Lehrstuhl Musikpädagogik ist als Lehrinstitut für die Lehrerausbildung intensiv mit den Strukturen und Organisationen in Kommune, Kreis und Land vernetzt und darüber hinaus auch in einer Reihe von bestehenden Projekten involviert, die insgesamt gute Voraussetzungen und auch Vorerfahrungen für die Realisierung des Projektes Musik.Integriert! liefern.
Die gesamte Elternarbeit, gemeinsam mit den Lehrern, der Schulleitung, den Klasseneltern- und Elternsprecher und weiterer Projektpartner, wird von der in.media.vitae foundation durchgeführt.
Projekt-Start
Im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2015 / 2016 waren Studierende des Lehrstuhls Musikpädagogik an der Konrad-Groß-Schule tätig sowie auch an der Theo-Schöller-Schule und einer größeren Anzahl von weiteren Nürnberger Grund-, Mittel- und Realschulen und unterstützten Lehrer im Unterricht mit Differenzierungsangeboten, um vor allem über die Musik deutschsprachliche Grundkenntnisse zu vermitteln. In der Konrad-Groß-Schule erfolgte dies auch parallel in einem dortigen Musical-Projekt. Dieses Musical „Rotasia“, selbst eine Parabel darüber, wie vorher Fremde zusammenkommen und zusammenwachsen, wurde mit großem Erfolg von Frau Monika Hopp, die im Auftrag der Evangelischen Jugend Nürnberg die Ganztagsbetreuung an der Konrad-Groß-Schule leitet und musikpädagogisch tätig ist, und unter aktiver Unterstützung der Studierenden Nadja Marquardt und Sonja Nachtigall einstudiert. Den Pressebericht des Nürnberger Stadtanzeigers finden Sie hier.
Evaluierung und Schlussfolgerungen
Die bei dem Projektstart gemachten Erfahrungen wurden eingehend evaluiert. Der bisherige Ablauf des Projektes wurde dabei – trotz des schnellen engagierten Starts ohne intensive Vorbereitung – als positiv, stellenweise bis ausgezeichnet beurteilt. Insbesondere das Engagement der beteiligten Studierenden wurde sehr geschätzt. Durch das Musical-Projekt „Rotasia“ an der Konrad-Groß-Schule haben sich dort die Tätigkeiten auf dieses Projekt konzentriert. Das Musical wurde mit großem Erfolg einstudiert und aufgeführt.
Es hat sich aber auch gezeigt, dass in dem durchaus komplexen Mikrokosmos „Schule“ für solche weiterführenden externen Projekte ein hoher Grad an Information, Kommunikation und Vernetzung notwendig ist, ohne den es leicht zu nennenswerten Defiziten kommen kann. Gerade diese haben sich dabei auch als sehr lehrreich erwiesen. Auch die nicht geringe Komplexität, resultierend aus der Vernetzung von Lehrerausbildung und Studierenden, Schule und Tätigkeit der Stiftung ist sehr klar deutlich geworden. So kommt der Steuerung und Kommunikation in dem Projekt eine entscheidende Bedeutung zu.
Schaffung und Finanzierung der Stelle „Projektsteuerung Musik.Integriert!“
Am Lehrstuhl Musikpädagogik wurde eine Doktorandenstelle „Projektsteuerung Musik.integriert!“ geschaffen und besetzt.
Projektdurchführung im Schuljahr 2016/17
Basierend auf den Evaluierungen und Schlussfolgerungen wurden zwei Schulen mit zunächst je einer Klasse ausgewählt, um das Projekt modellhaft im Schuljahr 2016/17 weiter zu entwickeln. Als Schulen wurden die Kopernikus-Grundschule mit einer 4. Klasse sowie die Herschel-Schule als Grund- und Mittelschule mit einer 5. Klasse, beide in der Südstadt von Nürnberg, gewonnen. Konzeptionelle Beratung zur Elternbegleitung leisteten die ElternlotsInnen des Nürnberger Projektes NEST – Nürnberger Elternbüro für Schulerfolg und Teilhabe.
An der Herschel-Schule konnte am 5. Oktober 2015 ein Klassen-Elternabend mit den Lehrkräften und Eltern einer 5. Klasse durchgeführt und von der in.media.vitae foundation unterstützt werden.
Die Kopernikus-Grundschule hat einen Migrantenanteil von ca. 85 %, zeigt erfolgreiche Erfahrungen und klare Strukturen. Eine Studierende begleitet die Lehrerin in der 4. Klasse mit Ergänzungs- und Differenzierungsangeboten an einem Vormittag in der Woche. Um die Eltern dabei zu unterstützen, die schulische Entwicklung und den Schulerfolg ihrer Kinder zu begleiten und sie aktiv in den Integrationsprozess einzubeziehen, wurde eine intensive Elternarbeit mit vier Elternabenden über das Schuljahr hinweg konzipiert.
Der erste Projekt-Elternabend wurde gemeinsam von der Lehrerin Frau Bengelsdorf, Konrektorin Frau Kramer mit der in.media.vitae foundation vorbereitet und am 25. Oktober 2016 durchgeführt. Fachliches Thema war der Schulerfolg in der 4. Klasse – die zu den Übergängen zur Mittelschule, Realschule oder zum Gymnasium führt. Währenddessen konnten die anwesenden Kinder im Musikzimmer zwei Lieder einüben und anschließend ihren Eltern vorführen. Diese Darbietung war beeindruckend und erfreute die Eltern und alle Beteiligten. Bei Fingerfood und Getränken entfalteten sich gute persönliche Gespräche sowie Diskussionen um Themen und Inhalte der nächsten Elternabende.
Am 25. Januar 2017 konnte der zweite Projekt-Elternabend im „Südpunkt“ stattfinden, dem innovativen Lern-, Kultur- und Bildungshaus im Nürnberger Süden. Herr Biersack verwies die Angebote des Bildungszentrums, der Stadtteilbibliothek und der Kulturveranstaltungen im Haus und erläuterte die Möglichkeiten des digitalen Lernens für Gruppen und Einzelbesucher des Lernzentrums. Frau Bengelsdorf stellte den Eltern zum Thema „Lernen begleiten“ Lernhilfen und Lernprogramme im Internet vor. Wiederum übten die Kinder zwei Bewegungslieder ein und durften ihre Eltern zum Mitmachen einladen. Bei den Nachgesprächen zum Catering durch die Cafeteria des Südpunkts wurde wiederum deutlich, wie wichtig das Thema Medien für Kinder, Eltern und Schule ist.
„Sicherheit im Netz“ wurde der dritte Projekt-Elternabend am 6. April 2017 überschrieben. Gastreferentin Frau Engl von der Stiftung Medienpädagogik Bayern hielt einen ausgezeichneten Vortrag über das Verstehen der sozialen Medien – ihrer umfangreichen Möglichkeiten sowie ihrer Gefahren -, das Erwerben von Medienkompetenz sowie die entsprechende Erziehung und Bildung im Dialog zwischen Eltern und Kindern. Erneut führten die Kinder einen neu erlernten „Bewegungs-Boogie“ vor sowie einen Tanz, der in der Klasse von Frau Bengelsdorf einstudiert worden war. Bei Getränken und von den Eltern selbst mitgebrachten Speisen wurden weitere Gespräche über die Mediennutzung geführt sowie Verabredungen für die bevorstehende vierte Projekt-Veranstaltung getroffen.
Ausblick
Mit verstärkten Kräften durch die Doktorandenstelle führen wir das Projekt „Musik.integriert!“ fort. Das Projekt „Musik.Integriert!“ soll als Modell entsprechend weiterentwickelt und verbreitert an anderen Schulen und Orten angewandt werden. Der Lehrstuhl Musikpädagogik sowie die in.media.vitae foundation bearbeiten ihre jeweiligen Teilprojekte „Schüler“ und „Eltern“ jeweils separat, bleiben im intensiven Austausch und werden die Weiterentwicklung des Gesamtprojektes weiter gemeinsam durchführen. Allen bisherigen Beteiligten am Projekt „Musik.Integriert!“ danken wir sehr herzlich für ihren erfolgreichen Einsatz.